1. Mai 2015

Resist – Occupy – Produce

  
Wir wollen kein Stück vom Kuchen, wir wollen die ganze Bäckerei – Heraus zum revolutionären 1. Mai!  
 
„In Erwägung unserer Schwäche machtet
Ihr Gesetze, die uns knechten soll'n.
Die Gesetze seien künftig nicht beachtet
In Erwägung, daß wir nicht mehr Knecht sein woll'n.“
...
 
Unser Lebensraum ist die Stadt. Wir leben in ihr, wir sind die, die sie produzieren. Ohne uns alle gäbe es diese Stadt nicht. Die Stadt gibt es nicht ohne den Bauarbeiter, der eure Schoppingzentren errichtet und den ihr nicht bezahlt, ohne die Reinigungskraft, die für einen Hungerlohn eure Stadt sauber hält, ohne den S-Bahn-Lokführer, die Taxifahrerin, die Kellnerin, den Koch, die Künstlerin.  
 
Aber die Stadt ist nicht unser Lebensraum. Wir verfügen nicht über sie, wir können sie nicht frei gestalten. Wir können nicht wählen, wo und wie wir leben und arbeiten wollen. Die Mieten werden unbezahlbar, die Löhne sind niedrig, viele haben überhaupt keine Arbeit, mit der sie über die Runden kommen. Können wir nicht bezahlen, werden wir zwangsgeräumt und müssen weichen, oder wir finden erst gar keine Wohnung. Denn für den Kapitalismus sind nicht wir und unsere Bedürfnisse der Maßstab, sondern die endlose Anhäufung von Kapital.  
 
Resist  
 
„In Erwägung, daß wir hungrig bleiben
Wenn wir dulden, daß ihr uns bestehlt
Wollen wir mal feststelln, daß nur Fensterscheiben
Uns vom guten Brote trennen, das uns fehlt.“
... 
 
Hier besteht ein Missverhältnis. Wenn uns das, was wir produzieren, was wir hervorbringen, nicht gehört und uns als etwas gegenübertritt, das uns fremdbestimmt, müssen wir Widerstand leisten. Dieser Widerstand beginnt defensiv. Wir wollen uns dagegen wehren, dass Menschen aus ihren Wohngebieten verdrängt werden, dass gewachsene soziale Milieus zerstört werden, nur damit irgendwer aus Geld noch mehr Geld machen kann. Wir wollen uns zusammen mit jenen wehren, die beim Bau der Gebäude der Stadt ausgebeutet und erniedrigt werden, wie das jüngst bei der „Mall of Shame“ der Fall war. Wir wollen uns dagegen wehren, dass unsere Kieze „befriedet“ und umstrukturiert werden. Wir wollen uns dagegen wehren, dass Staat und Kapital bestimmen, wer wo bleiben darf, und wer zwangsgeräumt oder abgeschoben wird.  
 
Der Kampf um die Stadt ist ein Kampf, der viele Ebenen hat. „Die Frage, welche Art von Stadt wir wollen, kann nicht getrennt werden von der Frage, welche sozialen Beziehungen, welche Beziehung zur Natur, welche Lebensweisen, Technologien und ästhetischen Werte wir uns wünschen. Der Kampf um das Recht auf Stadt ist weit mehr als das um den individuellen Zugang zu urbanen Ressourcen. Er ist der Kampf um das Recht, uns selbst zu verändern, indem wir die Stadt verändern“, schreibt David Harvey. 
 
Mit unserem Widerstand beginnt dieser Kampf. Wir werden es euch so schwer wie möglich machen, unsere Viertel polizeilich zu kontrollieren. Wir werden es euch so schwer wie möglich machen, Menschen aus ihren Wohnungen zu werfen. Wir werden euch, wo immer wir können, daran hindern, all jene, die ihr in eurer ordentlichen Stadt nicht haben wollt, Obdachlose, Flüchtlinge, Illegalisierte unsichtbar zu machen.  
 

Occupy

 
„In Erwägung, daß da Häuser stehen
Während ihr uns ohne Bleibe laßt
Haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
Weil es uns in unsern Löchern nicht mehr paßt.“
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Aus dem Widerstand schöpfen wir Kraft. Wir finden uns zusammen mit all jenen, die auch genug haben, genug von Ausbeutung, Erniedrigung, genug davon Bittsteller_in zu sein und im schlechten Bestehenden irgendwie durchkommen zu müssen. Wir wachsen, und wir werden beginnen, uns anzueignen, was uns gehört.  
 
Wir werden beginnen, uns den öffentlichen Raum anzueignen. Wir haben gesehen, wie unsere Gefährt_innen sich ihre Plätze genommen haben, auf dem Synthagma in Athen, dem Taksim in Istanbul. Wir haben gesehen, wie aus den Schwaden von Tränengas eine Generation entstanden ist, die keine Angst mehr hat und die eine Idee einer Gesellschaft hat, die besser ist als diejenige, in der wir heute dahinvegetieren. Die Idee der Kommune.  
 
Wir werden Knotenpunkte schaffen, zuerst hier dann da. Soziale Zentren, Freiräume, unsere Räume. Die Knotenpunkte werden zu einem Netz, einem Netz, das wir gegen jeden Angriff verteidigen werden, das enger und enger wird.
 
Wir haben gesehen, wie unsere Gefährt_innen in Spanien und Griechenland, in der Türkei und Kurdistan gehandelt haben, als sie durch Krise und Krieg gezwungen wurden Gegenmacht aufzubauen. Wir haben die Stadtteilversammlungen in Athen gesehen, bei denen Menschen einander zu helfen begannen, um Armut und Isolation zu überwinden. Wir haben die Armenviertel Istanbuls gesehen, in denen die Bevölkerung sich organisiert, sich ihre eigenen Häuser baut und die mit der Waffe in der Hand verteidigt. Wir haben die Selbstverwaltung in Kurdistan gesehen, den Kampf um Würde und Selbstbestimmung.  
 
Wir haben all das gesehen und wir haben beschlossen: Wir wollen uns auf den Weg machen.  
 
Produce  
 
„In Erwägung: es will euch nicht glücken
Uns zu schaffen einen guten Lohn
Übernehmen wir jetzt selber die Fabriken
In Erwägung: ohne euch reicht's für uns schon.“
...
 
Der Weg wird lang sein. Aber wir produzieren schon, nur eben im Kapitalismus nicht für uns, sondern für andere. Wir arbeiten und arbeiten, unsere wertvolle Zeit verstreicht und doch haben wir kaum je genug, um auszukommen. Und denjenigen, die keine Arbeit finden, die dem Kapitalismus nur dazu dienen, die Reserve abzugeben, die einspringen kann, und mit der man die Löhne niedrig halten kann, denen geht es noch schlechter.  
 
Wenn wir uns aber die Mittel aneignen, mit denen wir produzieren, dann wird damit Schluss sein. Ihr könnt noch so viele Gruselmärchen darüber erzählen, dass es anders, als es heute ist, nicht funktionieren wird, wir geben einen Scheiss auf eure Geschichten. Denn wir wissen aus unserem eigenen Leben eines ganz genau: So wie es heute ist, kann und wird es nicht bleiben.  
 
Also haben wir beschlossen unsere eigenen sozialen Beziehungen aufzubauen, einen Kern des Neuen im Alten, der das Alte sprengen wird, denn es hat sich überlebt und muss untergehen. Wir werden uns die Stadt nehmen. Und wir werden uns die Schulen, die Universitäten, die Büros und Fabriken nehmen. Ihr könnt versuchen, uns daran zu hindern, aber wir sind mehr. Die vielen, die noch nicht wissen, das sie zu uns gehören, werden wir finden und mitnehmen. 
 
„In Erwägung, daß ihr uns dann eben
Mit Gewehren und Kanonen droht
Haben wir beschlossen, nunmehr schlechtes Leben
Mehr zu fürchten als den Tod.“
(B. Brecht)